Die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz 2022
Die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz war 2022 schwierigen Rahmenbedingungen ausgesetzt. Das zeigt eine Analyse des Statistischen Landesamtes. Während sich einzelne Branchen immer noch nicht vollständig von den Auswirkungen der Corona-Pandemie erholt hatten, verursachte der russische Angriffskrieg in der Ukraine bereits die nächste Krise. Wie im Jahr zuvor hatte darüber hinaus ein Sondereffekt im Bereich Forschung und Entwicklung einen wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis. Das Bruttoinlandsprodukt in Rheinland-Pfalz ist 2022 leicht gesunken, allerdings ausgehend von einem sehr hohen Niveau, das im Jahr zuvor erreicht wurde.
Nach vorläufigen Berechnungen des Arbeitskreises Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, in dem das Statistische Landesamt Rheinland-Pfalz mitwirkt, nahm das Bruttoinlandprodukt preisbereinigt um 0,2 Prozent ab (Deutschland: plus 1,8 Prozent). Die Wirtschaftsleistung in Rheinland-Pfalz entwickelte sich schwächer als in den übrigen Bundesländern, die alle trotz der schwierigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen Zuwächse erzielten. In jeweiligen Preisen erhöhte sich die Wertschöpfung um 9,5 Milliarden auf 172 Milliarden Euro (plus 5,9 Prozent).
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Geringes Wachstum im Verarbeitenden Gewerbe
Die aufgrund des Krieges in der Ukraine massiv gestiegenen Energiepreise und anhaltende Störungen in den globalen Lieferketten bremsten 2022 das Wachstum im Verarbeitenden Gewerbe. Die Bruttowertschöpfung der Industrie stieg preisbereinigt nur noch um 0,7 Prozent (Deutschland: plus 0,2 Prozent). Das Verarbeitende Gewerbe erwirtschaftet 23 Prozent der gesamten Wertschöpfung in Rheinland-Pfalz.
Die Betriebe im Verarbeitenden Gewerbe sowie im Bergbau und in der Gewinnung von Steinen und Erden mit 50 und mehr tätigen Personen verzeichneten eine starke Umsatzsteigerung von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dieses Umsatzwachstum dürfte allerdings in erster Linie auf Preiserhöhungen zurückzuführen sein, die zumindest teilweise die deutlich gestiegenen Energie- und Materialkosten der Unternehmen widerspiegeln. Die Vorleistungsgüterindustrie verbuchte den stärksten Zuwachs (plus 22 Prozent). Auch die Konsumgüterhersteller erwirtschafteten wesentlich höhere Erlöse (plus 19 Prozent), was unter anderem auf die günstige Entwicklung in der Pharmabranche zurückzuführen ist (plus 29 Prozent). Die Umsätze der Investitionsgüterhersteller stiegen deutlich schwächer (plus 5,4 Prozent). Ein Grund dafür ist die weiterhin gebremste Entwicklung der Kraftwagen- und Kraftwagenteileindustrie (minus 2,7 Prozent). -
Wertschöpfungsrückgang in den Dienstleistungsbereichen
Der Dienstleistungssektor verbuchte 2022 – nach dem Rekordwachstum im Jahr zuvor – einen leichten Rückgang der Wirtschaftsleistung. Die Bruttowertschöpfung nahm um 0,3 Prozent ab, während im Bundesdurchschnitt ein Wachstum von 2,9 Prozent erzielt wurde. Die Dienstleistungen trugen 2022 gut 65 Prozent zur gesamten Wertschöpfung in Rheinland-Pfalz bei (Deutschland: 69 Prozent).
Die Wirtschaftsleistung des Teilsektors „Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen“ sank um 4,2 Prozent (Deutschland: plus zwei Prozent). Dieser Rückgang ist auf den Teilbereich „Unternehmensdienstleister“ (minus 9,4 Prozent) und innerhalb dieses auf den Bereich „Forschung und Entwicklung“ zurückzuführen, der 2022 deutlich geringere Lizenzeinnahmen aus der Impfstoffentwicklung erzielte als im Jahr zuvor. Die Bruttowertschöpfung des Teilsektors „Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung, Gesundheit“ legte um zwei Prozent zu (Deutschland: plus drei Prozent). Auch der kleinste Teilsektor „Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation“ verzeichnete ein Wachstum. Mit einem preisbereinigten Plus von 2,2 Prozent war der Anstieg aber wesentlich niedriger als im Bundesdurchschnitt (plus 3,8 Prozent). -
Sinkende Wertschöpfung auch im Baugewerbe
Im Baugewerbe verschlechtern sich bereits seit 2021 die Rahmenbedingungen, was auf zunehmenden Fachkräftemangel, steigende Preise für Baumaterialien sowie steigende Zinsen zurückzuführen ist. Das führte 2022 zu einem deutlichen Rückgang der Bruttowertschöpfung; sie sank um 2,1 Prozent (Deutschland: minus 2,9 Prozent). Zur Bruttowertschöpfung der Gesamtwirtschaft steuert das Baugewerbe im Vergleich der Wirtschaftsbereiche nur einen geringen Teil bei (6,4 Prozent).
Die Umsätze im Baugewerbe stiegen dagegen deutlich. Nominal – also nicht um Preisveränderungen bereinigt – nahmen die baugewerblichen Umsätze im Bauhauptgewerbe um 9,4 Prozent zu (Deutschland: plus 9,9 Prozent). Sowohl im Hochbau als auch im Tiefbau stiegen die Erlöse deutlich (plus 6,6 bzw. plus zwölf Prozent). Auch im Ausbaugewerbe legten die nominalen Umsätze kräftig zu (plus 13 Prozent; Deutschland: plus zwölf Prozent). -
Außenhandel: Wert der Ausfuhren wächst kräftig
Die Ausfuhren erreichten 2022 einen neuen Höchststand. Der Wert der aus Rheinland-Pfalz exportierten Waren stieg um elf Prozent auf 60,8 Milliarden Euro (Deutschland: plus 14 Prozent). Die wertmäßige Erhöhung der Exporte ging allerdings mit deutlichen Preissteigerungen einher – die Ausfuhrpreise zogen so stark an wie seit 1974 nicht mehr. Die exportierten Warenmengen lagen hingegen unter dem Vorjahresniveau.
In den verschiedenen Gütergruppen verlief die Entwicklung unterschiedlich. Der Wert der exportierten Vorleistungsgüter einschließlich Energie nahm um 14 Prozent zu. Die Ausfuhr von Investitionsgütern erhöhte sich ebenfalls deutlich (plus 13 Prozent). Die Konsumgüterexporte waren hingegen etwas geringer als 2021 (minus 0,6 Prozent).
Die Ausfuhren nach Europa wuchsen 2022 mit plus 9,2 Prozent unterdurchschnittlich, was auf den rückläufigen Absatz in die europäischen Länder außerhalb der EU zurückzuführen ist. Unter anderem machte sich der Rückgang der Exporte in die Russische Föderation nach dem Angriff auf die Ukraine bemerkbar. Der Absatz in die Euroländer stieg dagegen deutlich um 14 Prozent, und in die EU-Länder außerhalb der Eurozone wurden elf Prozent mehr Waren geliefert als im Vorjahr. Besonders günstig entwickelten sich die Exporte nach Amerika (plus 25 Prozent), wozu der starke Anstieg der Ausfuhr in die USA einen entscheidenden Beitrag leistete. Der Wert der Exporte auf den asiatischen Kontinent legte nur um 3,8 Prozent zu. Ein wesentlicher Grund dafür ist das schwache Chinageschäft; die Exporte in die Volksrepublik sanken um 8,9 Prozent. -
Preise: Inflation erreicht Rekordniveau
Die Verbraucherpreise stiegen 2022 wesentlich stärker als in den Jahren zuvor. Im Jahresdurchschnitt war der Verbraucherpreisindex für Rheinland-Pfalz, der als Indikator für die gesamtwirtschaftliche Preisentwicklung verwendet wird, um 6,6 Prozent höher als 2021 (Deutschland: plus 6,9 Prozent). Eine höhere Inflationsrate gab es in Westdeutschland zuletzt Anfang der 1970er-Jahre. Schon 2021 war im Jahresverlauf ein außergewöhnlich starker Anstieg der Teuerung zu verzeichnen gewesen. Im Jahr 2022 gewann die Inflation nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar weiter an Dynamik. Ihren Höchststand erreichte die Teuerungsrate im November, als die Verbraucherpreise um 8,5 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats gelegen hatten.
Für die starken Preissteigerungen gibt es verschiedene Ursachen. Teilweise sind sie nach wie vor eine Folge der Corona-Pandemie. Die rasche Erholung der Weltwirtschaft vom Einbruch zu Beginn der Pandemie ließ die Nachfrage nach Energie und Rohstoffen und damit die Erzeugerpreise rapide steigen. Außerdem wirkten Störungen der internationalen Lieferketten und eine starke Erhöhung der Frachtraten im internationalen Warenverkehr preistreibend. Diese Preissteigerungen schlugen sich mit etwas Zeitverzug in den Verbraucherpreisen nieder. Nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs schnellten vor allem die Energiepreise weiter in die Höhe. Im Jahresdurchschnitt verteuerte sich Energie um 26 Prozent. Für Nahrungsmittel mussten die Verbraucherinnen und Verbraucher 2022 ebenfalls deutlich mehr bezahlen als im Jahr zuvor (plus 13 Prozent).
Die Preise für Nahrungsmittel und Energie schwanken stark. Um längerfristige Trends bei der Preisentwicklung zu erkennen, wird daher die Veränderung des „Gesamtindex ohne Nahrungsmittel und Energie“ betrachtet, die auch als Kerninflation bezeichnet wird. Im Jahresdurchschnitt lag die Kerninflationsrate bei plus 3,9 Prozent. Sie war damit ebenfalls deutlich höher als in den Vorjahren und weit von der für die Geldpolitik wichtigen Zwei-Prozent-Marke entfernt. Das zeigt, dass sich die Preissteigerungen nicht nur auf einzelne, schwankungsanfällige Teilbereiche des Verbraucherpreisindex beschränken, sondern ein breites Gütersortiment betreffen. -
Arbeitsmarkt: Erwerbstätigkeit steigt, Arbeitslosigkeit sinkt
Trotz nahezu stagnierender Wirtschaftsleistung nahm die Erwerbstätigkeit in Rheinland-Pfalz 2022 um 22.000 auf 2,05 Millionen Personen zu (plus 1,1 Prozent; Deutschland: plus 1,3 Prozent). Die Auswirkungen der Corona-Pandemie, die 2020 zum ersten Rückgang der Erwerbstätigkeit in Rheinland-Pfalz seit 2009 geführt hatten, wurden damit fast vollständig ausgeglichen. Die Erwerbstätigenzahl lag 2022 nur noch um rund 500 Personen unter dem Höchststand von 2019.
Der langfristig rückläufige Trend bei der Zahl der Selbstständigen setzte sich fort (minus 1,5 Prozent; Deutschland: minus 1,3 Prozent). Dafür stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 1,8 Prozent (Deutschland: plus 1,9 Prozent). Die Zahl der geringfügig Beschäftigten nahm ebenfalls zu (plus 1,4 Prozent; Deutschland: plus 2,9 Prozent).
Auch die Arbeitslosigkeit sank. Bei der Bundesagentur für Arbeit waren im Jahresdurchschnitt 2022 rund 102.500 Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer arbeitslos gemeldet; das waren 9.600 weniger als 2021 (minus 8,6 Prozent). Allerdings wuchs die Zahl der arbeitslosen Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit um 1,9 Prozent (Deutschland: plus 3,2 Prozent). Dazu trug unter anderem die Aufnahme geflüchteter Ukrainerinnen und Ukrainer bei, die mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis auch Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Die Arbeitslosenquote nahm 2022 in Rheinland-Pfalz um 0,4 Prozentpunkte auf 4,6 Prozent ab (Deutschland: minus 0,4 Prozentpunkte auf 5,3 Prozent). Im Ländervergleich weist Rheinland-Pfalz seit 2003 durchgehend die drittniedrigste Arbeitslosenquote hinter Bayern (2022: 3,1 Prozent) und Baden-Württemberg (2022: 3,5 Prozent) auf.
Die Nachfrage nach Arbeit stieg 2022 spürbar. Der Bundesagentur für Arbeit wurden im Jahresdurchschnitt 45.800 offene Arbeitsstellen gemeldet. Das sind 8.400 Stellen bzw. 23 Prozent mehr als im Vorjahr (Deutschland: plus 20 Prozent).