Volkswirtschaft: Analysen
Analyse: Die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz im Jahr 2023
Die wirtschaftliche Entwicklung wurde 2023 von der weiterhin hohen Inflation, ungünstigen Finanzierungsbedingungen und geopolitischen Krisen beeinträchtigt. Wie im Jahr zuvor hatte in Rheinland-Pfalz darüber hinaus ein Sondereffekt im Bereich Forschung und Entwicklung sowie in der Pharmaindustrie einen wesentlichen Einfluss auf die Wirtschaftsleistung. Das Bruttoinlandsprodukt ist 2023 kräftig gesunken, allerdings ausgehend von einem sehr hohen Niveau, das 2021 und 2022 erreicht wurde. Nach vorläufigen Berechnungen des Arbeitskreises Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, in dem das Statistische Landesamt Rheinland-Pfalz mitwirkt, nahm das Bruttoinlandprodukt preisbereinigt um 4,9 Prozent ab (Deutschland: minus 0,3 Prozent). Die Wirtschaftsleistung entwickelte sich in Rheinland-Pfalz schwächer als in den übrigen Bundesländern.
In jeweiligen Preisen erhöhte sich die Wertschöpfung. Sie stieg um 2,5 Milliarden auf 174 Milliarden Euro, was einer Zunahme um 1,5 Prozent entspricht.
Zum Rückgang des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts trug insbesondere das Verarbeitende Gewerbe bei, das 22 Prozent der gesamten Wertschöpfung in Rheinland-Pfalz erwirtschaftet. Die Bruttowertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes sank 2023 um elf Prozent (Deutschland: minus 0,3 Prozent).
Die Betriebe im Verarbeitenden Gewerbe sowie im Bergbau und in der Gewinnung von Steinen und Erden mit 50 und mehr tätigen Personen mussten gegenüber dem Vorjahr einen Umsatzrückgang von neun Prozent hinnehmen. Damit entwickelte sich die Industrie in Rheinland-Pfalz wesentlich schwächer als im Bundesdurchschnitt (plus 0,6 Prozent).
Die Industrie in Rheinland-Pfalz ist in hohem Maße durch energieintensive Wirtschaftszweige geprägt. Die Branchen, die im Verhältnis zum Umsatz einen überdurchschnittlichen Energieverbrauch aufweisen, erwirtschafteten 2023 hierzulande 53 Prozent der Industrieumsätze. In Deutschland trugen die Industriezweige, die in Rheinland-Pfalz zu den energieintensiven Branchen zählen, nur 30 Prozent zu den Industrieumsätzen bei. Somit haben diese Branchen in Deutschland einen geringeren Einfluss auf die Entwicklung der Industrieumsätze. Die Erlöse der energieintensiven Industriebranchen schrumpften in Rheinland-Pfalz 2023 um 16 Prozent und in Deutschland nur um 7,9 Prozent.
Die meisten energieintensiven Branchen gehören zur Vorleistungsgüterindustrie, so zum Beispiel die Chemieindustrie. Die umsatzstärkste Industriebranche in Rheinland-Pfalz musste 2023 gegenüber dem Vorjahr einen Erlösrückgang um 23 Prozent verkraften. Insgesamt nahmen die Umsätze der Vorleistungsgüterhersteller um 16 Prozent ab. Auch die Erlöse der Konsumgüterproduzenten lagen unter dem Vorjahresniveau (minus zwölf Prozent). Hierzu trug die Pharmazeutische Industrie bei: Nach kräftigen Umsatzsteigerungen in den Vorjahren – unter anderem durch die starke Nachfrage nach Impfstoffen – sanken die Erlöse 2023 um 44 Prozent. Nur die Hersteller von Investitionsgütern erwirtschafteten höhere Umsätze als 2022 (plus zehn Prozent). Dazu leisteten sowohl die Hersteller von Kraftwagen und Kraftwagenteilen (plus 9,6 Prozent) als auch der Maschinenbau (plus 7,7 Prozent) einen Beitrag.
Der Dienstleistungssektor, der 66 Prozent zur gesamten Wertschöpfung in Rheinland-Pfalz beiträgt, musste 2023 ebenfalls Einbußen hinnehmen. Die Bruttowertschöpfung nahm preisbereinigt um 3,2 Prozent ab, während im Bundesdurchschnitt ein Wachstum von 0,5 Prozent erzielt wurde.
Ein wesentlicher Grund für den Rückgang der Wirtschaftsleistung im Dienstleistungssektor ist die schwache Entwicklung des Teilsektors „Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen“, dessen Bruttowertschöpfung um 9,4 Prozent sank (Deutschland: plus 0,6 Prozent). Das Minus ist auf den Teilbereich „Unternehmensdienstleister“ (minus 20 Prozent) und innerhalb dieses Teilbereichs auf den Bereich „Forschung und Entwicklung“ zurückzuführen, dessen Wertschöpfung 2021 und 2022 durch Lizenzeinnahmen aus der Impfstoffentwicklung ein außergewöhnlich hohes Niveau erreichte. Im Teilsektor „Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation“ war die Bruttowertschöpfung 2023 ebenfalls rückläufig (minus 0,8 Prozent; Deutschland: minus 0,2 Prozent). Die Bruttowertschöpfung des Teilsektors „Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung, Gesundheit“ legte hingegen um 1,5 Prozent zu (Deutschland: plus 1,1 Prozent).
Für das Baugewerbe waren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiterhin schwierig. Hohe Preise für Bauleistungen und Baustoffe sowie ein hohes Zinsniveau belasteten die Baukonjunktur. Die Bruttowertschöpfung im Baugewerbe sank preisbereinigt um 0,9 Prozent (Deutschland: minus 0,2 Prozent). Zur Bruttowertschöpfung der Gesamtwirtschaft steuert das Baugewerbe im Vergleich der Wirtschaftsbereiche nur einen geringen Teil bei (6,8 Prozent).
Trotz sinkender Wertschöpfung legten die Umsätze im Baugewerbe weiter zu, was unter anderem auf Preissteigerungen zurückzuführen ist. Nominal – also nicht um Preisveränderungen bereinigt – nahmen die baugewerblichen Umsätze im Bauhauptgewerbe um 4,2 Prozent zu (Deutschland: plus 3,5 Prozent). Gestützt wurde das Umsatzwachstum durch den Tiefbau. In dem Teilbereich stiegen die Erlöse um zehn Prozent. Die baugewerblichen Umsätze des Hochbaus nahmen dagegen um zwei Prozent ab, was auf Einbußen im Wohnungsbau zurückzuführen ist. Das Ausbaugewerbe entwickelte sich 2023 deutlich positiver als das Bauhauptgewerbe, was womöglich mit einer hohen Nachfrage nach energetischer Sanierung zusammenhängt. Gegenüber dem Vorjahr stiegen die ausbaugewerblichen Umsätze um 21 Prozent (Deutschland: plus 14 Prozent).
Nach kräftigen Zuwächsen in den beiden Vorjahren nahm der Wert der rheinland-pfälzischen Exporte 2023 um 3,4 Prozent ab (Deutschland: minus zwei Prozent). Das Minus ist fast ausschließlich auf den Rückgang der Ausfuhr von Vorleistungsgütern zurückzuführen (minus zwölf Prozent). Die Exporte von Chemischen Erzeugnissen schrumpften kräftig (minus 18 Prozent), aber auch bei anderen mit hohem Energieeinsatz produzierten Vorleistungsgütern gab es kräftige Einbußen. Die Investitionsgüterexporte lagen hingegen deutlich über dem Vorjahresniveau (plus 8,2 Prozent). Dazu trug unter anderem das florierende Geschäft mit Kraftwagen und Kraftwagenteilen bei (plus 14 Prozent). Der Wert der ins Ausland gelieferten Konsumgüter war ebenfalls höher als im Vorjahr, wenn auch nur geringfügig (plus 0,3 Prozent).
In fast alle Weltregionen wurde 2023 weniger exportiert als im Vorjahr. Die Ausfuhren in europäische Länder nahmen um 3,7 Prozent ab. Der Wert der nach Amerika versendeten Waren schrumpfte mit minus 7,4 Prozent stärker als die Lieferungen auf die anderen Kontinente. Deutliche Einbußen gab es unter anderem bei den Ausfuhren in die USA und nach Brasilien, den beiden wichtigsten Abnehmerländern auf dem amerikanischen Kontinent. Die Warenlieferungen auf den asiatischen Kontinent erhöhten sich um 1,9 Prozent, was mit einem kräftigen Anstieg der Exporte nach Japan zusammenhängt. Der Warenaustausch mit dem bedeutendsten Abnehmerland in Asien, der Volksrepublik China, war jedoch rückläufig.
Die Verbraucherpreise erhöhten sich 2023 im Jahresdurchschnitt um 5,8 Prozent (Deutschland: plus 5,9 Prozent). Dies ist der zweithöchste Anstieg seit Beginn der Zeitreihe des Verbraucherpreisindex für Rheinland-Pfalz im Jahr 1995. Nur 2022, als die Preise nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine in die Höhe schnellten, lag die Inflationsrate mit plus 6,6 Prozent noch darüber. Wie außergewöhnlich die Inflationsentwicklung der vergangenen beiden Jahre ist, zeigt der Vergleich mit der durchschnittlichen Teuerungsrate seit der Einführung des Euro im Jahr 1999: Von 1999 bis 2023 stiegen die Verbraucherpreise in Rheinland-Pfalz durchschnittlich nur um 1,8 Prozent pro Jahr.
Im Jahr 2023 waren Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln ein wesentlicher Inflationstreiber. Im Jahresdurchschnitt mussten die Verbraucherinnen und Verbraucher für Nahrungsmittel zwölf Prozent mehr bezahlen als im Vorjahr. Die Energiepreise, die 2022 die Inflationsentwicklung prägten, stiegen 2023 etwas schwächer als die Verbraucherpreise insgesamt. Energie war 2023 im Jahresdurchschnitt 5,6 Prozent teurer als im Jahr zuvor.
Die Preise für Nahrungsmittel und Energie schwanken stark. Um längerfristige Trends bei der Preisentwicklung zu erkennen, wird daher die Veränderung des „Gesamtindex ohne Nahrungsmittel und Energie“ betrachtet, die auch als Kerninflation bezeichnet wird. Die Kerninflationsrate lag 2023 im Jahresdurchschnitt bei plus fünf Prozent. Anders als die Gesamtinflation war die Kerninflation 2023 höher als 2022. Dies zeigt, dass sich die Teuerung – ausgehend von den stark schwankungsanfälligen Energie- und Nahrungsmittelpreisen – mit einer zeitlichen Verzögerung auf weitere Bereiche des Verbraucherpreisindex ausdehnte.
In Rheinland-Pfalz gab es 2023 mehr Erwerbstätige als je zuvor. Gegenüber dem Vorjahr stieg ihre Zahl um 9 100 bzw. 0,4 Prozent auf 2,06 Millionen Personen (Deutschland: plus 0,7 Prozent).
Der langfristig rückläufige Trend bei der Zahl der Selbstständigen setzte sich fort (minus 0,7 Prozent). Dafür stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 0,5 Prozent auf 1,49 Millionen Personen und erreichte damit einen neuen Rekordstand (Deutschland: plus 0,8 Prozent). Die Zahl der geringfügig Beschäftigten erhöhte sich ebenfalls (plus 2,4 Prozent; Deutschland: plus 3,1 Prozent).
Allerdings waren negative Auswirkungen der schwachen Konjunktur auch auf dem Arbeitsmarkt zu spüren. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung nahmen im Berichtsjahr zu. Bei der Bundesagentur für Arbeit waren im Jahresdurchschnitt 2023 rund 110 700 Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer arbeitslos gemeldet; das waren 8 200 mehr als 2022 (plus acht Prozent; Deutschland: plus 7,9 Prozent). Besonders stark wuchs die Zahl der arbeitslosen Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit (plus 18 Prozent; Deutschland: ebenfalls plus 18 Prozent). Die Arbeitslosenquote stieg 2023 in Rheinland-Pfalz um 0,3 Prozentpunkte auf 4,9 Prozent (Deutschland: plus 0,4 Prozentpunkte auf 5,7 Prozent). Im Ländervergleich weist Rheinland-Pfalz seit 2003 durchgehend die drittniedrigste Arbeitslosenquote hinter Bayern (2023: 3,4 Prozent) und Baden-Württemberg (2023: 3,9 Prozent) auf.
Der Bedarf an neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ließ 2023 spürbar nach. Der Bundesagentur für Arbeit wurden im Jahresdurchschnitt 41 900 offene Arbeitsstellen gemeldet. Das sind 3 900 Stellen bzw. 8,5 Prozent weniger als im Vorjahr (Deutschland: minus zehn Prozent).
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Industriekompass 2022
Das Statistische Landeamt erstellt regelmäßig im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau einen Industriekompass. Darin werden unter anderem die wichtigsten die Branchen anhand der Ergebnisse verschiedener Erhebungen portraitiert.
- Der Wertschöpfungsanteil des Verarbeitenden Gewerbes ist in Rheinland-Pfalz mit 23 Prozent überdurchschnittlich.
- Die rheinland-pfälzische Wirtschaft erzielte 2021 ein außergewöhnlich kräftiges Wachstum. Rheinland-Pfalz ist das erste Bundesland, in dem die Wirtschaftsleistung das Niveau vor Ausbruch der Corona-Pandemie übersteigt.
- In der rheinland-pfälzischen Industrie arbeiteten 2021 rund 358 100 Personen, das sind knapp 18 Prozent aller Erwerbstätigen mit einem Arbeitsplatz in Rheinland-Pfalz.
- Die Arbeitsproduktivität ist im Verarbeitenden Gewerbe deutlich höher als in der Gesamtwirtschaft.
- Kleinstunternehmen machten 2020 gut 73 Prozent der im Land ansässigen Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes aus.
- Für Umsatz und Beschäftigung in der Industrie sind die Großunternehmen von besonderer Bedeutung; sie erwirtschafteten 2020 mehr als drei Viertel der gesamten Umsätze der rheinland-pfälzischen Industrie und hatten einen Beschäftigtenanteil von 59 Prozent.
- Die Umsätze der in Rheinland-Pfalz ansässigen Industriebetriebe stiegen von 2011 bis 2021 um 19 Prozent.
- Ein wesentlicher Grund für den überdurchschnittlichen Zuwachs der rheinland-pfälzischen Industrie sind die starken Umsatzsteigerungen in der Pharmabranche, was mit dem Beitrag der rheinland-pfälzischen Pharmaindustrie zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zusammenhängt.
- Die rheinland-pfälzische Industrie ist auf die Produktion von Vorleistungsgütern ausgerichtet. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten arbeitet in diesem Industriebereich, der zudem 55 Prozent der gesamten Industrieumsätze generiert.
- Die Umsatzproduktivität der rheinland-pfälzischen Industrie liegt über dem Bundesdurchschnitt, was unter anderem auf die große Bedeutung der hochproduktiven Chemie- und Pharmaindustrie zurückzuführen ist.
- Nach dem Umsatz und nach der Beschäftigtenzahl ist die Chemieindustrie die mit Abstand größte Branche innerhalb der Industrie in Rheinland-Pfalz.
- Gemessen am Umsatz folgen die Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen sowie der Maschinenbau auf den Plätzen 2 und 3. Nach der Beschäftigtenzahl steht der Maschinenbau hinter der Chemieindustrie an zweiter Stelle; den dritten Platz belegt die Herstellung von Metallerzeugnissen.
- Die Pharmabranche erzielte 2021 einen außergewöhnlich hohen Umsatz und erreichte dadurch Rang 4 unter den umsatzstärksten Branchen. Nach der Zahl der Arbeitsplätze lag die Branche nur auf dem achten Platz.
- Die Industrie ist in Rheinland-Pfalz stark auf den Export ausgerichtet. Mehr als die Hälfte der Umsätze werden im Ausland erzielt.
- Der Wert der rheinland-pfälzischen Exporte stieg zwischen 2011 und 2021 um 21 Prozent. Im ersten Jahr der Coronapandemie 2020 gingen die Exporte um 8,4 Prozent zurück. Anschließend erholte sich der Außenhandel wieder und die Exporte 2021 legten im Vorjahresvergleich um elf Prozent zu.
- Für den rheinland-pfälzischen Außenhandel ist der Export von Vorleistungsgütern besonders von Bedeutung. Chemische Erzeugnisse stellen das wichtigste Exportgut dar.
- Europa, die Europäische Union (EU) und der Euroraum sind die wichtigsten Absatzmärkte für rheinland-pfälzische Unternehmen.
- China war im Jahr 2021 für die rheinland-pfälzischen Unternehmen ein wichtiger Absatzmarkt; unter den Abnehmerländern belegte die Volksrepublik Rang 7, beim Import Rang 1.
- Mit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine ist der Handel mit der Ukraine und der Russischen Föderation besonders in den Blick gerückt. Die Ukraine lag 2021, also vor dem Ausbruch des Krieges, unter den Absatzmärkten für Waren aus Rheinland-Pfalz auf Rang 44 und die Russische Föderation auf Rang 17.
- Geographisch befindet sich die höchste Konzentration der rheinland-pfälzischen Industrie entlang des Rheins und im Westerwald.
- Der mit Abstand größte Industriestandort ist die Arbeitsmarktregion Ludwigshafen. Auf Rang zwei folgt mit deutlichem Abstand die Arbeitsmarktregion Koblenz.
- Die größte Bedeutung als Arbeitgeber für eine Region hat die Industrie in der Arbeitsmarktregion Germersheim.